Änderung der Rechtsprechung zum Unterhalt für minderjährige Kinder – standardisierte Bedarfssätze in Düsseldorfer Tabelle künftig auch für höhere Einkommensstufen zu erwarten

Der Bundesgerichthof (BGH) stellt mit seinem Beschluss vom 16.09.2020 die Weichen für eine vereinfachte Berechnung der Unterhaltsleistungen besserverdienender Eltern für ihre Kinder:

Die Familiengerichte bedienen sich für die Unterhaltsbemessung der sog. Düsseldorfer Tabelle. Diese enthält standardisierte Beträge zum Unterhaltsbedarf des Kindes, je nach Einkommen des unterhaltsverpflichteten Elternteils.

Für ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen über 5.500,00 € pro Monat verwies die Tabelle auf die „Umstände des Einzelfalls“. Konkret bedeutete dies bislang für das unterhaltsberechtigte Kind einigen Aufwand: Über den ausgewiesenen Tabellenbetrag hinausgehende Zahlungen konnte es nur beanspruchen, indem es seinen Bedarf konkret darlegte und im Streitfall bewies – unabhängig davon, ob der unterhaltsverpflichtete Elternteil über ein Nettoeinkommen von 6.000,00 € oder 60.000,00 € monatlich verfügt. Die aktuelle Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021 zitiert für diese Fälle erstmalig einen BGH-Beschluss aus dem September 2020.

In diesem gibt der BGH bekannt, an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten: Während er eine Orientierung an standardisierten Bedarfsbeträgen für höhere Einkommensklassen bisher ablehnte, hält er eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle für monatliche Nettoeinkommensbeträge bis zu 11.000,00 € künftig nicht mehr für ausgeschlossen. Die Oberlandesgerichte, die die Düsseldorfer Tabelle laufend aktualisieren, dürften sich angesichts dieses Rechtsprechungswandels gehalten sehen, zeitnah auch für Nettoeinkommensbeträge zwischen 5.501,00 € und 11.000,00 € abgestufte Bedarfsbeträge festzuschreiben und die unterhaltsrechtlichen Leitlinien entsprechend anzupassen.

Um dieser fortzuschreibenden Tabelle den geschuldeten Bedarfsbetrag entnehmen zu können, hat das unterhaltsberechtigte Kind einen Auskunftsanspruch gegen seinen unterhaltspflichtigen Elternteil. Dieser kann sich anders als bisher nicht mehr darauf beschränken, sich für „unbeschränkt leistungsfähig“ zu erklären, sondern hat seine Einkommensverhältnisse offenzulegen.

Für viele Kinder besserverdienender Unterhaltsverpflichteter bedeutet diese Rechtsprechungsänderung, dass sie künftig stärker an deren überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen teilhaben werden. Auf die gegebenenfalls streitige Darlegung eines erhöhten Bedarfs kommt es dann nicht mehr an.

Nicola Kolossa, Referendarin

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